Hab da was gefunden, im Wortgepäck des Lotsen ...
EINE FLASCHENPOST AUS DER ZUKUNFT
Warum aus der Zukunft keine Nachrichten kommen? Nur diese
Bohne aus Stahl mit der spärlichen Botschaft? Wer immer sie
liest, sie nützt ihm nichts, er wird sie nicht glaubhaft finden,
und wenn er glaubt, wird man lachen; sonst wären wir nicht,
wo wir sind: in eurer Zukunft.
Tausende von Botschaften könnten gesendet werden; die
Reise in die Vergangenheit wäre leicht. Doch die Vergangenheit
ist verboten. Und was das Schlimmste ist: die Lust, Verbote zu
übertreten, ist abgeschafft. Wir, die diese Botschaft senden, sind
die letzten, die sich an Sünden freuen. Doch wir sind nichts als
Keime in einem gesunden Körper, der uns neutralisiert. Er
kommt uns unendlich kräftig vor; er hat es nicht einmal nötig,
uns abzukapseln: Wir fließen frei in ihm herum und werden
dabei schwächer.
Wir können jede Reise machen, jedes Hotel bewohnen, im
Winter- und im Sommerbezirk der Planetenstadt. Man läßt uns,
ohne uns nachzublicken, überall durch, es gibt weder Geld noch
Schlüssel, ein furchtbarer Zustand, der uns erschöpft. Darum
verlassen einige von uns kaum jemals ihre Zelle; sie wollen sich
die Illusion verschaffen, eingekerkert zu sein.
Das Wesen, das uns neutralisiert, ist schon unter euch. Es hat
mitten unter euch zu wachsen begonnen. Glaubt ihr denn wirk-
lich, es würde keine Intelligenz entwickeln? Seht ihr seine
Ganglienknoten nicht wachsen? Bemerkt ihr nicht die Greifbe-
wegungen, die den Planeten umfassen? Dieses Wesen diskutiert
nicht.
[aus: Gerhard Amanshauser, Ein anachronistischer Liebhaber]
Reicht zum Denken am Deck, oder nicht?
Schönen Sonntag!
